Wie funktioniert das nepalesische Gesundheitssystem?

Volunteer Michael gibt einen Einblick und erzählt von seinen teils schockierenden Erlebnissen...

Auch wenn sich einige über das deutsche Gesundheitssystem beschweren, so sollte man sich bewusst sein, wie wichtig und keineswegs selbstverständlich eine Krankenversicherung und ein funktionierendes Versorgungsnetz ist.

In Nepal ist nämlich fast niemand krankenversichert und man muss die gesamten Kosten selbst tragen. Deshalb wird die Ambulanz gerade unter der ärmlichen Bevölkerung meist erst gerufen, wenn sich der Gesundheitszustand schon deutlich verschlechtert hat. Besonders weil in der ländlichen Region um Satrasaya, wo die Gesundheitsstation von help to help ist, die meisten Familien von einem sehr geringen Einkommen leben müssen, sind die Kosten im Falle eines Unfalls oder einer Krankheit eine enorme finanzielle Belastung.

Im Krankenhaus selbst muss sich die Familie um das leibliche Wohl und die Pflege des Patienten kümmern. Auch die Kosten für Untersuchungen, Medikamente und Operationen bis hin zum Aufenthalt auf einer Intensivstation müssen sie direkt vor Ort bezahlen. Deshalb fahren in Nepals Krankenwagen immer mehrere Familienangehörige mit.

rollstuhl-krankenhaus-nepal-help-to-help wartehalle-krankenhaus-nepal-help-to-help

Den Angehörigen bleibt aus Kostengründen manchmal nichts anderes übrig, als sich in der Wartehalle des Krankenhauses immer wieder einen Schlafplatz zu suchen. Deshalb entscheidet nicht unbedingt der Zustand des Patienten über das Zielkrankenhaus, sondern vielmehr, wo die Angehörigen während des Krankenhausaufenthaltes in der Nähe bei Bekannten oder Freunden unterkommen können. Die Behandlungsräume der Notaufnahmen sind in den meisten Fällen nur sehr einfach ausgestattet. Nur ein Bettgestell mit Matratze, eine Sauerstoffflasche und kaum Überwachungsmonitore. Manchmal ist schon die bauliche Substanz erschreckend. Vermutlich wird wohl auch die hygienische Situation unzureichend sein.

krankenhaus-nepal-help-to-help-3  notaufnahme-krankenhaus-nepal-help-to-help

Oft stundenlange Transporte bis zum nächsten Krankenhaus...

Weil es vor allem auf dem Land keine Hausärzte oder Arztpraxen gibt, wird zuerst das nächste Krankenhaus aufgesucht. Da diese kleinen Hospitäler nur unregelmäßig mit Ärzten besetzt sind und eine ausreichende Versorgung oft nicht gewährleistet ist, bleibt oftmals nur der Transport in eines der größeren Krankenhäuser. Das bedeutet für die Patienten eine Fahrzeit von mindestens zwei Stunden bis Chitwan, drei Stunden bis Pokhara oder bis zu vier Stunden bis nach Kathmandu. Auch ich habe erlebt, dass in kleineren Krankenhäusern kein medizinischer Sauerstoff mehr zur Verfügung stand.Dort angekommen, steht man oft vor einer völlig überfüllten Notaufnahme und muss Geduld mitbringen.

krankenhaus-nepal-help-to-help-2 krankenhaus-nepal-help-to-help

Bei akuten Notfällen werden die Patienten oft ohne jegliche Erstversorgung direkt in eines dieser großen Krankenhäuser transportiert. Auf der mehrstündigen Fahrt können keine Schmerzmedikamente oder Infusionen verabreicht werden. Selbst blutende Wunden werden grundsätzlich nicht versorgt, ebenso werden Knochenbrüche nicht geschient. Es steht nicht einmal eine Zudecke zur Verfügung. In Nepal ist das leider trauriger Alltag, aber für mich als Notfallsanitäter war diese Erfahrung mit Abstand die schockierendste.

Das Personal hat oft keine oder nur sehr mangelhafte medizinische Kenntnisse

Die Fahrer haben keinerlei medizinische Ausbildung, auch meist keinen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Gerade deshalb habe ich während meines Einsatzes als Volunteer für help to help meinen Fokus auf den Umbau und die Ausstattung der Ambulanz und die Schulung der Fahrer gelegt. Insgesamt stehen in der Region um Satrasaya zu wenige Krankenwagen zur Verfügung und ein Transport ist oft erst am nächsten Tag möglich. In der Anfangsphase der Corona-Krise wurden alle Krankenwagen von der Gesundheitsbehörde auf Ausstattung und Sicherheit geprüft. Einige dieser Fahrzeuge mussten aufgrund verschiedener Mängel aus dem Verkehr gezogen werden.

Seitdem ist die Ambulanz von help to help noch häufiger im Einsatz und deshalb eine Bereicherung für die gesamte Bevölkerung. Da sich nur sehr wenige Nepalesen ein Auto leisten können und in der Krise auch das öffentliche Verkehrsnetz eingeschränkt wurde, bleibt den Patienten manchmal nur der Transport mit einer Ambulanz.

nepal-gesundheitssystem-maedchen

Die Krankenstation in Satrasaya: von unschätzbarem Wert für die ländliche Bevölkerung in Nepal

Aus all diesen Gründen hat sich das MedicalCare Center von help to help zu einer wirklich geschätzten Anlaufstelle entwickelt. Auch wenn es offizielle Öffnungszeiten gibt, ist die medizinische Fachkraft Bhakta letztendlich rund um die Uhr für alle Patienten greifbar und leistet eine wirklich beeindruckende Arbeit. Zusätzlich führt er in der näheren Umgebung sogar Hausbesuche durch und ist damit wohl der einzige in Satrasaya. Seit 2017 ist er bei help to help angestellt, hat inzwischen die Leitung des Standortes übernehmen dürfen und ist aus meiner Sicht unbezahlbar.

1 Natürlich gibt es, v.a. in der Hauptstadt Kathmandu, auch Kliniken auf westlichem Niveau; doch eine Behandlung dort können sich in der Regel nur wohlhabende Nepalesen oder Touristen mit entsprechender Auslandskrankenversicherung leisten.

Im nächsten Blogartikel geht es darum, wie Michael unsere Gesundheitsstation in Satrasaya erlebt und kennengelernt hat.

 

volunteer-michael-help-to-help-nepal

Zum Autor der Blogserie:

Ich heiße Michael und bin 40 Jahre alt. Als Anästhesie- und Intensivpfleger, Notfallsanitäter sowie Ausbilder für Erste Hilfe konnte ich zumindest in Deutschland genügend Erfahrungen sammeln. Reisen ist seit vielen Jahren eine meiner Leidenschaften und so entschied ich mich, im Herbst 2019 für einige Monate als Volunteer für die Hilfsorganisation help to help international nach Nepal zu gehen. Ich unterstützte das Projekt “Gesundheitsstation und Ambulanzfahrzeug in Satrasaya”

 

Lust bekommen, help to help als Volunteer zu unterstützen?

Egal, ob vor Ort in der Zentrale in München oder in unseren Projekten weltweit. Wir freuen uns immer über Anfragen für einen freiwilligen und ehrenamtlichen Einsatz in einem unserer Projekte, insbesondere medizinisches Personal für die Gesundheitsstation in Satrasaya.

Mehr erfahren zum Volunteering in Satrasaya...

Mehr zum Projekt "MedicalCare Center Satrasaya"...