Wie macht man aus einem Einsatzfahrzeug mit Mängeln einen richtigen Krankenwagen? Volunteer Michael war im Oktober 2019 für help to help in Nepal. In diesem Teil seiner Blogserie erzählt er vom Umbau des Krankenwagens. So viel vorab: Es war kein leichtes Unterfangen...

Der Umbau des Einsatzfahrzeugs war mit Abstand die wichtigste und zeitintensivste Aufgabe während meiner Zeit als Volunteer für help to help in Nepal. Entsprechend möchte ich versuchen, diesen Schritt der Verwandlung mit einigen Bildern anschaulich zu beschreiben und einen Überblick zu geben.

Bevor kostbare Spendengelder investiert werden, muss man sich gut überlegen, was repariert, verändert und gekauft werden soll. So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Einerseits mussten einige technische Mängel behoben werden, andererseits hatte ich den Auftrag, aus dem Auto eine "richtige Ambulanz" zu machen (warum das Fahrzeug bei Michaels Ankunft keine richtige Ambulanz” war, ist in diesem Blogbeitrag zu lesen). Es sollte eine Krankenwagen werden, der sich von anderen unterscheidet und natürlich besser ausgestattet ist. Als Notfallsanitäter hatte ich schon im Vorfeld viele Ideen im Kopf, aber letztendlich musste ich mir immer die Frage stellen, ob diese oder jene Veränderung oder Ausrüstung überhaupt sinnvoll ist.

Bei jeder Gelegenheit haben wir uns baugleiche Einsatzfahrzeuge zeigen lassen, nach häufigen Problemen und den besten Lösungsansätzen gesucht. Dass der Umbau ganze vier Wochen in Anspruch nehmen würde, habe ich zu Beginn dieses Vorhabens nicht gedacht.

Wo soll man bloß anfangen? Die ersten Einsatzfahrten sind aufschlussreich

Bei den ersten Einsätzen hatte ich alles genau beobachtet und nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht. Auf mehreren Rückfahrten habe ich die Gelegenheit genutzt, mich im wahrsten Sinne des Wortes in die Lage des Patienten zu versetzen. Das Seitengitter der Liege war nur eine einfache Rohrkonstruktion, so hat man sich in jeder Kurve daran gestoßen. In flacher Rückenlage schoss bei jeder stärkeren Bremsung das Blut in den Kopf, ein ziemlich unangenehmes Gefühl. An der Heckscheibe gab es leider keinen Sichtschutz, also konnte tagsüber jeder den Patienten sehen. Nachts wurde man vor allem im Sitzen von den Scheinwerfern der nachfolgenden Busse und Trucks geblendet.

Mehrfach stand ich neben dem Auto und überlegte was man verändern muss, um besser gesehen und vor allem als Ambulanz wahrgenommen wird. Wie man auf dem folgenden Bild sehen kann, war der rote Schriftzug „AMBULANCE“ auf der Frontscheibe kaum zu erkennen und fehlte an den Seitentüren komplett. Einige Aufkleber und Logos waren ausgeblichen und kaum mehr zu erkennen. Die weinroten Vorhänge waren optisch, aber besonders hygienisch eine absolute Katastrophe.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_140012-min

Der erste Schritt der Verwandlung: Der Krankenwagen wird mit ersten notwendigen Verbesserungen aufgerüstet

Sauerstoff ist in Nepal Mangelware und eine logistische Herausforderung. Selbst kleineren Krankenhäusern geht manchmal der Vorrat aus. Beim ersten Mal war ich entsprechend überrascht und schockiert, aber im Laufe der Zeit wurde es ein Stück Normalität. Auch wir mussten einige Patienten ohne Sauerstoff transportieren. Die Anschaffung einer zusätzlichen Flasche konnte das Problem zwar nicht lösen, aber zumindest entschärfen. Der Fahrer wurde in der Anwendung des Pulsoxymeters eingewiesen und konnte nun den Sauerstoffbedarf besser abschätzen und effektiver mit dem kostbaren Gas umgehen. Zu meinem Entsetzen wird in Nepal extrem „sparsam“ umgegangen und nie mehr als zwei Liter pro Minute aufgedreht. Als ich bei Patienten mit schwerster Atemnot auf sechs bis acht Liter gedreht habe, wurde ich sogar von medizinischem Personal mit Verwunderung angesehen. Andere Länder, andere Sitten.

Um auch bei den häufigen Nachtfahrten besser zu sehen und gesehen zu werden, konnten wir nach etwas Suche in Kathmandu zwei geeignete Zusatzscheinwerfer kaufen und beim nächsten Werkstattbesuch montieren lassen. Bei den größeren Umbauaktionen haben wir ganze sieben Stunden in der Werkstatt verbracht.   

In Nepals Straßenverkehr ist es besonders wichtig, von anderen gesehen zu werden. Den Unterschied kann man an den beiden Fotos eindeutig erkennen. Besonders auf den kurvenreichen Straßen kann man z.B. Fußgänger, aber auch Schlaglöcher deutlich besser erkennen und hat somit einen Sicherheitsgewinn.

20191109_174843 (2)     ambulanzwagen_help-to-help-nepal_20191109_174854 (2)

Außenbeleuchtung vorher                                                                   Außenbeleuchtung nach der Aufrüstung

In Kathmandu haben wir die Seitenscheiben und natürlich auch die Heckscheibe mit dunkler Folie bekleben lassen. So kann jeder aus dem Auto sehen aber niemand ins Fahrzeug blicken. Das Innenleben der defekten Deckenleuchte wurde durch helle LEDs ersetzt. Um auf den langen, oft nächtlichen Fahrten eine dezente, auch für den Fahrer nicht störende Beleuchtung zu haben, wurde eine zweite Innenleuchte mit blauen LEDs bestückt, so wie ich es aus unserem Rettungswagen in Deutschland kenne. Während der Fahrten und kurzen Stopps hat man nun ausreichend Licht, um den Patienten zu beobachten, den Blutdruck zu messen oder die Anzeige des Sauerstoffs ablesen zu können.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_130317-min     ambulanzwagen_help-to-help-nepal_143201-min

Anpassen der dunklen Folien                                                               Einbau der LEDs in die originalen Lampengehäuse  

Nach den ersten Verbesserungen erstrahlt der Krankenwagen bereits in einem komplett neuen Licht

Anschließend konnten wir im Innenraum endlich die alten Vorhänge entfernen und die Spuren der letzten 80.000 Kilometer mit einem speziellen Reiniger weitestgehend beseitigen. Außerdem wurden die meisten Schriftzüge und Logos erneuert, darunter die Schriftzüge AMBULANCE auf Front- und Heckscheibe durch ein gut erkennbares Gelb ersetzt, auf Fahrer- und Beifahrertür in einem Blau. Um das Auto in der Frontansicht etwas größer und auffälliger aussehen zu lassen, wurden zwei blaue Aufkleber auf die Motorhaube geklebt. Das Blaulicht wollte ich eigentlich auch durch LED ersetzen, musste mich aber dann mit dem Säubern des Blaulichtgehäuses zufriedengeben. Irgendwann sollen im Kühlergrill noch zwei blaue Frontblitzer eingebaut werden. Viele Kleinigkeiten, die das äußere Erscheinungsbild und die passive Sicherheit erhöhen.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_143716 (2)-min     Ambulance Car help to help-min

Die schwarze Folie an der Heckscheibe erhöht den Kontrast zu den Schriftzügen nochmals deutlich, dient aber in erster Linie als Sichtschutz. Der schwarze Streifen im oberen Teil der Frontscheibe dient zugleich noch als Sonnenschutz für Fahrer und Beifahrer. Außerdem wurde der Sockel vom Blaulicht mit weißer Farbe lackiert und sieht nun harmonischer aus. Gegen Ende meines Aufenthalts haben wir noch einen neuen Reserveradüberzug aus Leder schneidern und mit dem help to help Logo bedrucken lassen.

Als krönender Abschluss sind erstmals ein Kratzerentferner, Lackpflegemittel und Autoshampoo zum Einsatz gekommen und haben das Auto wieder in einem frischen Weiß strahlen lassen. Besonders der Fahrer Durga war vom Ergebnis mehr als überrascht, regelrecht begeistert und hat stundenlang geputzt und poliert. Natürlich unter Beachtung aller Unfallverhütungsvorschriften und Feedback von Bhakta (links im Bild).

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_094702 (2)-min

Der nächste Schritt der Verwandlung: Notwendige Umbauten und Reparaturen im Innenraum des Fahrzeugs ermöglichen fachgerechte Patiententransporte

Neben den Veränderungen am Fahrzeugäußeren standen auch einige Umbauten im Innenraum auf meiner Liste. Angefangen beim Sitzkomfort, dem Fußboden, aber auch verschiedene Reparaturen am Tragentisch und der Trage selbst. Zwischen den Vordersitzen wurde unter einer Klappe ein Staufach für die Box mit Einmalhandschuhen geschaffen. Unter dem Beifahrersitz ist jetzt ein Notfallrucksack griffbereit verstaut.

Die abgebrochene Halterung am Tragentisch wurde in optimierter Version wieder angeschweißt und der gesamte Tragentisch schwarz lackiert. Die Autowerkstatt war für mich sehr interessant, hat mich aber auch nachdenklich gemacht. Von Arbeitsschutz und Umweltschutz hat hier niemand etwas gehört.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_105500-min     ambulanzwagen_help-to-help-nepal_165326-min

Zeitgleich wurde ein Bodenbelag aufgeklebt. Dieser Boden lässt sich deutlich besser reinigen und wertet die Ambulanz zudem noch auf. Bei dieser Aktion mussten die hinteren Seitentüren demontiert werden.

5     20191110_193037 (2)

Aufgrund der einfachen Bauweise des indischen TATA mussten alle durchgesessenen Sitze ausgebaut werden, um die viel zu dünnen Streben durch einschweißen von Metallstreifen verstärken zu können. Danach wurden die Sitze mit Holzbrettern und Schaumstoff wieder aufgepolstert und der Sitzkomfort deutlich verbessert.

20191103_162328 (2)  4  20191109_124346 (2)

Jetzt kann man verstehen, weshalb der Umbau so zeitintensiv war. In Nepals Werkstätten braucht man meist keinen Termin und der Arbeitslohn kostet zum Glück nur einen Bruchteil zu Deutschland. Um das gewünschte Ergebnis zu bekommen, musste ich alle Arbeiten genau beobachten und an einigen Stellen nacharbeiten lassen.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_122534-min

Wie bereits beschrieben, wollte ich liegende Patienten unbedingt mit erhöhtem Oberkörper lagern können. Nach mehreren Lösungsansätzen und Zeichnungen habe ich mich für zwei Keilkissen aus Schaumstoff entschieden. Natürlich in Leder eingenäht, um diese gut reinigen und desinfizieren zu können.

Im Nachbarort haben wir eine Art Schneider oder Sattler gefunden, der nicht nur unsere Sitze aufpolstern konnte, sondern auch die beiden Keilkissen anfertigen konnte. Im weiteren Verlauf hat er ganz entscheidende Umbaumaßnahmen umsetzen können. Beispielsweise hat er das Metallgitter der Trage mit Schaumstoff und Leder umpolstert, aber auch ein bequemes Poster an den Schrank angebracht. Vor allem für Patienten die im Sitzen transportiert werden ein deutlicher Komfortgewinn. In Deutschland nutzt man ein sogenanntes Umbetttuch oder Tragetuch. Da man sowas in Nepal nicht finden wird, musste er für uns ein vergleichbares schneidern. Neben einigen anderen Arbeiten hat er auch die Schaumstoffauflage der Liege aufgepolstert und in neues Leder eingenäht. In seiner Werkstatt, kaum größer als eine Garage, hat er unter wirklich einfachsten Bedingungen eine super Arbeit geleistet und war über unsere Aufträge wirklich dankbar. An dieser Stelle muss ich ehrlich sagen, das Geld ist nicht “weg”, sondern hat diese kleine Familie unterstützt. Aber bevor er überhaupt loslegen konnte, ist er mit dem Fahrrad los, um noch schnell einen Pinsel und eine Dose Leim zu kaufen.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_152347-min     ambulanzwagen_help-to-help-nepal_151544(1)-min

Beim Schneidern der Keilkissen haben seine Tochter und ich alles genau beobachtet  

Bis in die Dunkelheit hat er für uns an der Nähmaschine gesessen, die er mit seinen Füßen antreiben musste. Da es in dem Raum keine brauchbare Beleuchtung gab, hat er das Licht seines Handys genutzt, welches er anfangs sogar mit den Zähnen gehalten hat.

An dieser Stelle habe ich ihm meine Stirnlampe geliehen, um dieser bizarren Situation ein Ende zu setzen. Das Endergebnis konnte sich auf jeden Fall sehen lassen.

3

Da die Insassen dieses Autos ohne Klimaanlage auskommen müssen, wurde zumindest ein neuer Ventilator angebracht. Der Vorgänger war abgebrochen und nicht wieder ersetzt worden. Der Sitzplatz direkt neben der „First Aid Box“, also dem kleinen Schrank, ist aus meiner Sicht der beste Platz im gesamten Auto und hat sich aus mehreren Gründen als idealer Platz für Patienten mit Atemproblemen herausgestellt. Beim Bremsen hat der Patient durch den Schrank, aber auch durch die Person daneben ausreichend Halt. Mit dem besser gepolsterten Sitz kann man jetzt auch auf längeren Fahrten deutlich entspannter sitzen. Im Schrank wurden ein kleiner Verbandkasten, zwei Handtücher, ein Tragetuch, die beiden Wolldecken sowie Sauerstoffmasken verstaut. Trotzdem bleibt noch Platz für Kleinigkeiten die sicher verstaut werden müssen.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_124700 (2)-min     ambulanzwagen_help-to-help-nepal_122717 (2)-min

Hier kann man das gut gepolsterte Seitengitter erkennen. Die beiden Keilkissen sind je nach Bedarf flexibel einsetzbar, werden aber in der nächsten Version etwas länger ausfallen. Außerdem wurden aus einer großen Wolldecke zwei schmalere Decken geschneidert und können sowohl als Lagerungsmittel, als auch zum Wärmeerhalt genutzt werden.

Nach dem Umbau kann der Krankenwagen seiner bedeutenden Rolle für die lokale Bevölkerung mehr als gerecht werden

Kurz vor meiner Rückreise waren noch längst nicht alle Reparaturen und Beschaffungen erledigt, aber nun hatte man zumindest eine Ambulanz, die hygienisch unbedenklich, aber besonders auf langen Fahrten einen besseren Komfort bietet. Ich kann mit Überzeugung sagen, dass sich dieses Einsatzfahrzeug nicht nur durch das Aussehen, sondern insbesondere durch die besseren Lagerungsmöglichkeiten und das Equipment im Notfallrucksack auf einem ganz anderen Niveau bewegt als die der anderen Anbieter.

Vielen Dank für Ihr Interesse und vor allem Ihre finanzielle Unterstützung dieses Projekts.

ambulanzwagen_help-to-help-nepal_143110 (2)-min

Nachtrag:

Besonders im Rahmen der Covid-19-Pandemie hat dieses Einsatzfahrzeug eine bedeutende Rolle übernommen und wird für die lokale Bevölkerung auch in Zukunft der Schlüssel zu einer schnellen medizinischen Versorgung sein. Seit meiner Rückreise ist die Ambulanz erneut unzählige Kilometer gefahren und es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere Reparaturen anstehen. Um die vermutlich steigenden Ausgaben weiterhin stemmen zu können, braucht help to help dringend Unterstützung.

Lesen Sie auch den Blogartikel "Einblick in das nepalesische Gesundheitssystem"

 

volunteer-michael-help-to-help-nepal

Zum Autor der Blogserie:

Ich heiße Michael und bin 40 Jahre alt. Als Anästhesie- und Intensivpfleger, Notfallsanitäter sowie Ausbilder für Erste Hilfe konnte ich zumindest in Deutschland genügend Erfahrungen sammeln. Reisen ist seit vielen Jahren eine meiner Leidenschaften und so entschied ich mich, im Herbst 2019 für einige Monate als Volunteer für die Hilfsorganisation help to help international nach Nepal zu gehen. Ich unterstützte das Projekt “Gesundheitsstation und Ambulanzfahrzeug in Satrasaya”

 

Lust bekommen, help to help als Volunteer zu unterstützen?

Egal, ob vor Ort in der Zentrale in München oder in unseren Projekten weltweit. Wir freuen uns immer über Anfragen für einen freiwilligen und ehrenamtlichen Einsatz in einem unserer Projekte, insbesondere medizinisches Personal für die Gesundheitsstation in Satrasaya.

▸ Mehr erfahren zum Volunteering in Satrasaya

▸ Mehr zum Projekt "MedicalCare Center Satrasaya"

 

Jetz während der Coronakrise wird jede Hilfe besonders benötigt für die Gesundheitsstation und die Ambulanz.

Jetzt spenden